Zum Tode von Sigrid Teuscher

Lehrerin, Heimleiterin und Mentorin der Urspringschule

Trägerin des Kronenkreuzes der Diakonie

 

Persönlicher Nachruf

Geschrieben habe ich Frau Teuscher seit unserem Abitur 1987 und dies meist zur Weihnachtszeit.

Über jeden Brief den ich von Ihr als Antwort bekam habe ich mich herzlich gefreut.Es waren doch immer sehr persönliche und offene Zeilen. Man merkte und ich wusste sie kennt mich, man geht sich noch etwas an.

Was hat mich bewogen „ die Trommeln“,eine wunderbare Formulierung die von ihr kam, über die Jahre nicht verstummen zu lassen?

Sicher war es anfangs große Dankbarkeit über die geleistete Arbeit an uns Schülern.Wir hatten unser Abitur und damit die allgemeine Hochschulreife erlangt.

Dabei ist mir bewusst, dass wir nicht immer ganz einfach waren. Ich sagte einmal zu der Mutter einer Mitschülerin, dass mir nie mehr ein Mensch begegnet ist der sich für Kinder die nicht die Eigenen sind so eingesetzt hat wie unsere Sigrid Teuscher.

Von ihr selbst stammt der Ausspruch , dass sie mit den schwierigen Schülern immer „Stehaufmännchen“ geübt hat. Ich hoffe dass ich selbst nicht zu dieser Gruppe gehört habe.

Geduld, Vorbild und Liebe. Diese Nächstenliebe hat Sie gelebt. Das merkte ich auch als Jugendlicher damals schon, auch wenn wir uns manchmal lustig über sie machten und wir sie sicherlich auch geärgert haben. Doch schon während meiner  Schulzeit in Urspring hatte ich Respekt vor ihr der mit dem Abstand und der Reife durch die Reflexion ihrer Persönlichkeit noch größer wurde.

Zu den Privatschulen im Allgemeinen und zu Urspring im Speziellen möchte ich hier nicht Stellung nehmen. Diese müsste differenzierter ausfallen um dem Licht und Schatten, dem Anspruch und der Wirklichkeit sowie der Gefahr von Parallelgesellschaften gerecht zu werden, um nur einige Stichworte zu nennen.

Trotzdem kann ich genau 30 Jahre nach meinem Abitur in Urspring sagen, dass die drei Jahre dort zu den glücklichsten und seelisch reichsten Jahren meines Lebens gehören.Und diese Zeit wird auch immer mit dem Menschen Sigrid Teuscher und ihrem Wirken in Verbindung bleiben.

So gibt es doch Momente die unvergesslich sind und Erlebnisse die mich geprägt haben.

Als Religionslehrerin lernten wir von ihr als erstes „ die philosophische Hintertreppe“, von Wilhelm Weischedel, kennen. Die Ausgabe von damals steht noch immer in unserem Bücherregal. Auch die Begriffe der Hermeneutik und der Exegese sowie ihre Bedeutung beim verstehen biblischer Texte lernte ich von ihr.

Doch was mir damals auffiel und ich an ihr geschätzt habe war ihre große Menschenkenntnis. Sie konnte einem Schützling ins Gesicht sehen und ein paar Sätze wechseln und sie wusste schon annähernd wen sie da so vor sich hatte. Sie konnte lesen wenn seelische Verwundungen erlitten wurden, was den einzelnen prägte und suchte das Wesen des Gegenüber in seiner Gesamtheit zu verstehen.

 

So habe ich von ihr gelernt tiefer zu schauen und auch den Mut zu haben dieses zu tun.

Ist es doch letztendlich diese Mühe die uns hilft  den anderen besser zu verstehen und ihm gerecht zu werden. Das war sicherlich ihr Anspruch, ihre Stärke, die bei anderen Pädagogen schnell an die Grenzen führte und auch Verwunderung auslösen konnte.

Für Sie bestand deshalb eine gerechte Behandlung nicht aus einem Einheitsmaß.

Vom ersten Tag meiner Internatszeit an wohnte ich im Hellhaus und blieb dort, einiger Versuche mich in eine andere Kameradschaft unterzubringen trotzend, bis zum letzten Schultag. Als Bewohner des Hellhauses versorgte uns Frau Teuscher jeden Abend mit einem zweiten Abendbrot. Dieses holte sie mit ihrem Korb extra für uns aus der Mensa. So traf man sich vor dem Zubettgehen noch einmal auf der mittleren Ebene, trank Tee und aß  belegte Brote. Diese Fürsorge haben wir alle gerne Abend für Abend selbstverständlich in Anspruch genommen. Am Abend vor unseren mündlichen Abiturprüfungen gab es sogar einen Beruhigungstee den sie dann gleich selbst mitgetrunken hat.

In besonderer Erinnerung ist mir geblieben, als ich zum Abitur das Schulhaus betreten wollte und an der Tür einen Zettel fand auf dem alle unsere Namen standen. Unter jedem klebte ein vierblättriges Kleeblatt  und es wurde uns Glück für die bevorstehenden Prüfungen gewünscht. Frau Teuscher hatte sie für jeden einzelnen von uns gesucht.

Wenn ich nach dem Schulunterricht ins Hellhaus kam, ich wohnte damals im dritten Stock, kam ich nach der ersten Treppenstufe an einer Tafel vorbei auf der geschrieben stand:

„Das will ich mir schreiben in Herz und Sinn:

Das ich nicht allein auf Erden bin,

das ich die Lieb die ich erleb

liebend an andere weiter geb.“

Dies alles ist nicht vergessen und ich bin sicher, diese Erinnerungen leben nicht nur in mir.

Holger Menzler